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Sonntag, 11. Mai 2014

# accept every body – Was ich mir dazu so gedacht habe...

Als mir Anne vor einer Weile von ihrer Idee erzählte, eine Kampagne für gegen Körpernormativität zu machen, hielt ich sofort alle Daumen hoch – mehr Bewußtsein für Diversität, zur Abwechslung auch mal im deutschsprachigen Internet kann sicher nicht schaden. Und so haben wir dann eine Weile über Google-Docs an einem Grundlagentext gebastelt, Anne hat mir ihren eigenen, sehr persönlichen Zugang zum Thema vorgestellt (coming up!) und dann war da noch die Frage nach einem Namen…

Any Body, Every Body, gab es natürlich alles schon. Mit dem Accept davor haben wir dann einen Kompromiß erzielt, mit dem wir leben konnten. Accept Every Body. Mit einer Leerstelle zwischen, denn es geht nicht um everybody wie jede*r (und um das Tolerieren von Einstellungen, Meinungen, Weltanschauungen oder sonstwas), sondern eben um jeden, indivduellen, einzigartigen, besonderen Körper, den man doch gefälligst akzeptieren soll, weil Körper halt unterschiedlich sind. Wir hätten vielleicht auch sagen können “embrace” every body, aber das wär irgendwie so religiös aufgeladen gewesen.

Wie dem auch sei, jetzt gibt es also diese Kampagne und nach zwei Wochen wird es Zeit, als Co-Initiatorin auch mal was dazu zu sagen. 



Zur Idee…

Anne und ich sind ja beide schon seit mehreren Jahren bei den Busenfreundinnen (Messageboard für BH-Anpassung/Bra Fitting) aktiv; dort im Forum hat sich im Lauf der Zeit eine relativ strikte Policy entwickelt, was die Bewertung von Körpern angeht. Am Anfang hatten wir hauptsächlich negative Kommentare verboten, die sich auf körperliche Attribute bezogen statt auf den Sitz des BHs. Das war vor allem für die sog. “Galerie” relevant, das ist ein geschützter Bereich, in dem man Bilder vom Oberkörper im BH einstellen kann, um Tips zur Passform zu bekommen. Nach einer Weile stellte sich aber heraus, daß auch Komplimente ein Problem waren – eskaliert ist es an einem Fall, an dem eine Frau wiederholt für ihre tolle Figur komplimentiert wurde, während das, was sie an anderen Stellen im Forum geschrieben hatte, darauf hindeutete, daß sie möglicherweise an einer Esstörung litt. Ich sage das deswegen dazu, weil durch die Möglichkeit einer Esstörung das erstrebenswerte Ideal des schlanken Körpers überhaupt erst als problematisch sichtbar wurde. Vorher wurden solche Kommentare einfach übergangen, weil sie ja anerkennend und ermunternd gemeint waren. Über diesen gedanklichen Umweg wurde offensichtlich, daß gesellschaftliche Ideale auch positiv formuliert ein negatives Klima verursachen könen und Komplimente genau wie abwertende Kommentare eine Folie aufmachen auf der sich die Frauen miteinander vergleichen. Die Probleme sind schlußendlich recht ähnlich; die Schwierigkeit mit Komplimenten ist nur weniger offensichtlich.

Über andere nicht schlecht zu sprechen ist auf 'ne Art einfach ein Gebot von Anstand und Höflichkeit, das durchzusetzen ist nun nicht sooo schwierig. Zu problematisieren, daß Komplimente häufig nach hinten losgehen, war schon weniger einfach, aber was sich als hauptsächliches Problem herausstellte, war Frauen davon abzuhalten, permanent über die eigenen “Mängel” zu jammern und zu klagen. 

Ich muß sicherlich nicht aufzählen, welche besserungswürdigen Aspekte es am Körper so gibt, die Liste ist bekanntlich endlos und das Schönheitsideal per definitionem unerfüllbar. Ich glaube aber, man fühlt sich umso imperfekter, je mehr man sich mit anderen vergleicht; schon deswegen weil unser Bild von Körpern sehr stark über die Medien präformiert wird und da ja quasi nur perfektionierte Menschen gezeigt werden. Dagegen sind selbst die schönsten Menschen nicht perfekt genug. Die Beobachtung aus dem Busenfreundinnen-Forum war nun: wenn man versucht die Vergleiche einzudämmen und sich selber einfach mal freundlicher und mit der Prämisse, daß man schon gut ist wie man so ist, zu begegnen, führt das direkt zu einem besseren Gefühl, mehr Zufriedenheit, etc. pp. Man kann sich den überkritischen Blick in den Spiegel also auch wieder abgewöhnen.


Subjektivität vs. Objektivität

Das erste Anliegen von Accept Every Body ist, an der subjektiven Ebene zu schrauben, also Frauen (oder allgemeiner: Menschen) die Möglichkeit aufzuzeigen aus dem ewigen Zyklus von Sich-mit-anderen-Vergleichen, Selbstkritik und Selbsthass auszusteigen und zu versuchen sich so anzunehmen wie sie sind. Einen freundlicheren Blick auf das zu entwickeln was sie sehen – auch und gerade wenn es sich dabei um den eigenen Körper handelt.

Nun wäre es aber naiv zu glauben, daß das Problem rein auf der subjektiven Ebene der Selbstwahrnehmung zu lösen wäre, denn viel Kritik kommt ja tatsächlich von außen, sei es implizit über die Medien, die Ideale propagieren oder auch explizit über geäußerte Meinungen, Diskriminierungen, Ungleichheiten mit denen man konfrontiert wird, sobald man nicht der "Norm" entspricht. Das heißt, wir haben es immer mit zwei Ebenen zu tun: der subjektiven, also der Frage “Wie (im)perfekt fühle ich mich?” und mit der objektiven “Wie mangelhaft/vollkommen sieht die Gesellschaft meinen Körper?” Das überschneidet sich natürlich an Punkten, aber nicht überall.

Der zweite wichtige Punkt an Accept Every Body ist daher für mich, die Problemstellung über die subjektive Selbstwahrnehmung und den diesbezüglichen Vergleich mit anderen zu erweitern; also nicht nur zu sagen, ich mag mich selber wie ich bin und ich finde auch daß andere nicht unter ähnlichen Gesichtspunkten abgewertet werden dürfen sondern an der Stelle noch weiterzugehen, und sich auf andere Perspektiven einzulassen. Also auch die Frage zu stellen, inwiefern andere Menschen von normierenden Prozessen betroffen sind - die vielleicht noch deutlich repressiver sind, als diejenigen, denen ich selber unterworfen bin.

So wie ich es bisher formuliert habe, wäre es naheliegend das Konzept der Körperakzeptanz auf einen gewissen persönlichen Erfahrungsbereich zu limitieren, also beispielsweise im Sinne einer Einforderung von Anerkennung für die jeweils individuellen Abweichungen vom - zum Beispiel - Schönheitsideal anzuwenden. Das wäre soetwas wie ein symbolischer Mittelfinger an die einschlägigen Frauenzeitschriften-Themen. Und ich finde auch, daß der ganzen Sache mit Fatshaming, Diätblödsinn, Fitspo und Körperoptimierung im allgemeinen mal ein Riegel vorgeschoben werden müßte: wir leben 2014, da kann man sich doch nicht die ganze Zeit mit so überholten Denkstrukturen rumschlagen müssen, oder?

ABER, apropos überholte Denkstrukturen, jenseits dessen, woran die Durchschnittsperson denkt, gibt es im Bereich Körperbewertung auch noch andere Problematiken, solche die nicht nur was mit dick und dünn, schön oder häßlich zu tun haben. Was uns zuerst einfällt hat einfach was mit unserem Erfahrungshintergrund zu tun. Ich z.B. bin eine (relativ) junge Frau, weiß, ich identifiziere mich mit meinem mir biologisch zugeordneten Geschlecht, bewege mich am oberen Ende des herkömmlichen Konfektionsgrößenangebots bei etwas überdurchschnittlicher Körpergröße, bin nicht chronisch krank oder behindert. Ich wage zu behaupten, daß meine Probleme mit Körperbewertungen recht durchschnittlich sind: sexistische Sprüche, generelle Diskriminierung aufgrund meines Geschlechts, der ganzen Schönheit-/Schlankheitsquatsch… Das ist natürlich ätzend. Gleichzeitig erfahre ich aber auch bei weitem nicht die ganze Bandbreite von Repressionen, denen Menschen aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen ausgesetzt sein können.

Zum Thema Körper gehören auch rassistische und biologistische Zuschreibungen, von denen ich als weiße Cis-Frau erst mal nichts mitbekomme. Meine Hautfarbe ist 'normal', also unsichbar und wird nicht thematisiert, mein Geschlecht ist zwar nicht männlich (was wiederum die unsichbare Norm wäre), aber immerhin 'eindeutig'. Ich kann hören, sehen, sprechen, laufen usw., bin da also auf keiner Ebene eingeschränkt. Die Auseinandersetzung mit Altern und damit verbundenen körperlichen Unzulänglichkeiten und Krankheiten usw. steht mir noch bevor. Derzeit bin ich soweit 'intakt', daß ich mir darüber keine Gedanken machen muß. Diese objektiven Ebenen von Körpernormativität entziehen sich also meiner subjektiven Erfahrung. Ich sehe die Zumutungen gesellschaftlicher Normen und Ideale häufig nur dort, wo ich ihnen selber nicht entspreche. D.h. ich bin an vielen Stellen privilegiert und wie es in der Natur von Privilegien liegt, sehe ich das nicht als Vorteil gegenüber anderen sondern einfach als Normalität.


Für die Verschiedenheit von Körpern!

Für mich heißt an Accept Every Body teilzunehmen, mich auf die Anstrengung einzulassen, auch andere Perspektiven auf das Thema Körper zu reflektieren. Mal über den eigenen Tellerrand zu gucken. Nicht nur einzufordern, daß ich okay sein muß, wie ich eben so bin, sondern auch andere, die in nicht so mainstreamigen Positionen stecken. 

Damit geht dann doch noch mal eine Bewertungs- oder vielleicht besser Beurteilungsebene einher, die man, wenn man es ernst meint, nicht einfach unter den Tisch fallen lassen kann – daß wir alle mit Körpernormen und –idealen konfrontiert werden heißt ja nicht, alle objektiv gleichermaßen davon betroffen ist. Vielfach ist z.B. das Problem nicht alleine in einer subjektiven Umbewertung aufzulösen – eine gesellschaftliche Diskriminierung oder auch ein objektives Problem besteht auch jenseits der subjektiven Ebene (z.B. daß man sich als Rollifahrerin nur sehr eingeschränkt bewegen kann, weil  fast keine Enthinderungsmaßnahmen getroffen werden, sondern alles nur auf Leute ausgelegt ist, die laufen können). 

Accept Every Body bedeutet auch, sensibel auf andere zu reagieren, Probleme wahrzunehmen die nicht die eigenen sind, sich um einen respektvollen Umgang mit anderen zu bemühen. “Frei von Körperbewertung”, das ist ein Ideal, das wir anstreben, nicht etwas, von dem wir glauben, daß es sich so mir nichts dir nichts umsetzen läßt, denn nobody’s perfect (in diesem Fall ohne ‘Lücke’), das Projekt ist ein ‘work in progress’.

In diesem Sinne hoffen wir natürlich, daß sich unter dem Label / Hashtag #AcceptEveryBody noch andere zu Wort melden. Diversity kommt nur über verschiedene Perspektiven zustande. Also: Schreibt selber was auf euren Blogs und schickt / twittert uns die Links dazu (@accept_eb) oder, falls ihr keinen Blog habt, schickt uns eure Texte an everybody@bhlounge.de.

Wir haben auch eine Facebookseite: https://www.facebook.com/accepteverybody
und, last but not least, der Kampagnentext: http://blog.bhlounge.de/accepteverybody/


Alsö, verehrte Leser*innen,
her mit euren Beiträgen und Meinungen!
Wir sind gespannt. :)


Hey, ich bin george und schlecht darin, mich kurz zu fassen. Ich tummle mich mit multiplen Persönlichkeiten im Netz, einige kennen mich vielleicht unter meinem Terry Pratchett-Pseudonym. Zu meinen Hobbies gehört Nörgeln, Kaffeetrinken und Prokrastinieren. Mehr Persönliches gibt es im Jahresrückblick 2013 und auf meiner Vorstellungsseite. [x]

1 comment

13. Mai 2014 um 00:00

Einen großen Einblick, den du da zum Thema anbietest! Sehr schön. Da lohnt es sich drüber nachzudenken. Accept every body!

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